Pscht… hast du schon gehört? Die Wohnungswirtschaft X hat 40.000 Wohneinheiten ausgeschrieben. Nicht mitbekommen? Okay – wie wär’s damit: Die Wohnungswirtschaft Y plant angeblich sogar über 50.000 WE mit Netzebene 4 (FTTH) auszubauen.
Solche Geschichten habe ich insbesondere im letzten Jahr häufiger gehört. Gleichzeitig spüren viele in der Branche: Der NE4-Ausbau könnte das nächste große Thema werden. Doch irgendwie geht es nicht richtig los.
Wenn du relevante Einblicke hast, warum der NE4-Ausbau trotz großer Ankündigungen nun doch nicht stattfindet – schreib mir gern. Ansonsten spekuliere ich im Folgenden einmal über die für mich offensichtlichsten Gründe – und wage im weiteren Verlauf dieses Newsletters eine Skizze für eine mögliche Beschleunigung. Wohlwissend, dass die NE4- und WoWi-Experten unter meinen Lesern äußerst kritisch sind… oder gerade deswegen. 😃
Warum scheitert der NE4-Ausbau?
Einer der naheliegendsten Gründe ist aus meiner Sicht das aktuell sehr – oder zu – hohe Preisniveau im NE4-Umfeld. NE4-Kosten von über 300 €, teils sogar über 400 € pro Wohneinheit, sind in der Realität schwer zu finanzieren.
Rechnen wir das mal durch: Bei einer angenommenen Auslastung von nur 50 % und einem Preis von 400 € je WE im Vollausbau entstehen zusätzliche Kosten von 800 € pro Kunde. Rechnet man dazu noch Verteilnetzkosten von 500 bis 1.000 € (im innerstädtischen Bereich) und anteilige Hausanschlusskosten, steigen die realen Kundenerschließungskosten massiv.
Hinzu kommt die Herausforderung, dass viele Projekte – vor allem am Anfang – noch nicht einmal ansatzweise 50 % Take Rate erreichen. In größeren Mehrfamilienhäusern sind realistischere Startauslastungen oft eher bei weniger als 10 %. Das bedeutet: Ein einzelner Kunde ist unter diesen Bedingungen wirtschaftlich nicht tragbar.
Natürlich skaliert das Modell deutlich besser mit steigender Auslastung. Allerdings tun sich aktuell alle Beteiligten schwer, auch nur auf ein grundsätzliches Einverständnis der Wohnungswirtschaft für solche Auslastungsquoten zu kommen.
Ja, es ließen sich Konstrukte entwickeln – etwa über Sammelinkasso-ähnliche Modelle oder die Umlage eines Teils der NE4-Kosten auf die Mieter via TKG. Doch bleibt festzuhalten: Für das aktuelle niedrige Take-Rate-Niveau sind die NE4-Kosten schlicht zu hoch.
Dabei spielt es im ersten Schritt keine Rolle, ob sich WoWi und TelCo auf ein gemeinsames kommerzielles Modell einigen oder nicht: Selbst unter Idealbedingungen explodieren die Kosten je Kunde, wenn die Buchungsquote niedrig bleibt. Umgekehrt gilt: Wir müssen die NE4-Kosten durch Innovationen (dazu gleich mehr) und steigende Take Rates (ebenfalls gleich mehr) anteilig je Kunde senken.
Diese Woche startet die erste Gründergruppe von Fiber OS – eine Community für Telco-Entscheider, die keine Lust mehr haben auf PowerPoint-Workshops ohne Umsetzung.
Bereits über 20 Geschäftsführer, Führungskräfte und Experten sind dabei – um gemeinsam die Frage die TelCo und Glasfaserbranche zu diskutieren und zu lösen.
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Geschäftsmodell-Streitigkeiten zwischen WoWi und TelCo
Kaum ein Thema beschäftigt die Branche im Mehrfamilienhaus-Kontext so sehr wie diese eine Frage: Wem gehört das Netz?
Wird die Infrastruktur unter Putz verlegt – was aus optischer Sicht sicherlich schöner wäre – gehört das Netz in der Regel dem Eigentümer und damit nicht mehr dem Telekommunikationsunternehmen, das möglicherweise für die Kosten aufgekommen ist. Folglich verlegen viele Anbieter lieber auf Putz – was wiederum Streit provoziert, denn am Ende wollen beide Seiten Eigentümer des Netzes sein.
In solchen Diskussionen geht es schnell um Exklusivrechte (und ob diese überhaupt zulässig sind) – und letztlich immer um die Frage: Wer zahlt wem was, damit ein Endkunde surfen kann?
Wenn das Netz dem Eigentümer gehört (also nicht dem TelCo), verlangt dieser oft eine Art Pacht oder Entgelt für die Nutzung der NE4. Das wiederum ist in den Business Cases der TelCos in der Regel nicht einkalkuliert – das entsprechende Budget fehlt. Angesichts der stark gestiegenen Kosten im Verteilnetzausbau ist der Verhandlungsspielraum ohnehin schon sehr begrenzt.
Gleichzeitig verlieren viele Wohnungsunternehmen mit dem Wegfall des Sammelinkassos über das TKG eine relevante Einnahmequelle – und haben ihrerseits ein wirtschaftliches Interesse daran, diesen Bereich nicht aus der Hand zu geben.
Vermutlich ist genau dieses Konfliktfeld aktuell einer der häufigsten Showstopper für einen skalierten NE4-Ausbau. Das rechtliche und kommerzielle Setting ist komplex – und in der Konsequenz bleibt der Endkunde auf der Strecke: Die Glasfaser liegt oft schon im Keller, aber sie kommt nicht in die Wohnung.
Ein weiteres Thema: enorme Skepsis gegenüber Innovation. Neben fachlich durchaus nachvollziehbaren Argumenten – etwa in Bezug auf Brandschutz – wird dieses Thema jedoch häufig pauschal verwendet, um alles abzulehnen, was in den letzten 2–3 Jahren entwickelt wurde. Ob transparente Glasfaser oder Verlegeverfahren an der Außenwand – oft heißt es: „Das sieht nicht nach einem fetten Aufputz-Metallrohr aus, also lassen wir es lieber.“
Ohne den Brandschutz technisch im letzten Detail beurteilen zu können: Es wirkt auf mich oft wie ein reines Mindset-Thema. Viele, die jahrelang zu diesem Thema befragt wurden und ihre Autorität daraus ziehen, werden natürlich weiterhin gefragt – und blockieren damit Innovation. Der eine verweist auf Brandschutz, der nächste auf Optik oder Wärmedämmung, der übernächste auf gestiegene Kosten durch Inflation.
Wieder bleibt der Verlierer der gleiche: der Endkunde.
Ein weiterer Punkt: WoWi und TelCo ticken einfach unterschiedlich. Zwischen Kabelnetzbetreibern (oft Vodafone) und der Wohnungswirtschaft gibt es gewachsene Schnittstellen – diese sind auch bei vielen größeren Glasfaseranbietern mittlerweile etabliert.
Das „Relationship“ funktioniert also grundsätzlich. Deshalb glaube ich auch weniger an ein Beziehungsproblem – sondern vielmehr an die bereits genannten Konflikte: Eigentum, Geschäftsmodell, wirtschaftliche Interessen.
Die Frage ist nun: Was tun?
Ohne Netzebene 4 – und damit ohne die Wohnungswirtschaft – ist ein flächendeckender Glasfaserausbau in Städten nicht möglich. Doch was tun, wenn eigentlich jeder weiß, wie wichtig NE4 ist – und gleichzeitig so wenig passiert?
Ein Element einer Lösung liegt sicherlich in der Ausbildung von Fachkräften. Die Frage, wie wir Menschen aus verwandten Branchen motivieren und befähigen, Glasfasernetze zu bauen, beschäftigt viele.
Gerade letzte Woche habe ich dazu mit Viktor vom „Haus des Glases“ gesprochen – aber auch Initiativen von Wolfgang, Stefan Heß oder vielen anderen leisten hier wertvolle Arbeit. Unterschiedliche Herangehensweisen – aber gleiche Zielsetzung: Mehr Know-how im NE4- und WoWi-Kontext.
Ein weiteres Element: Jetzt ist eine gute Zeit, um in NE4 zu investieren. Der Investment-Hunger im Verteilnetzbereich ist weitgehend gestillt. Investoren und Netzbetreiber wollen und müssen jetzt Kunden anschalten. Und genau das geht nicht ohne Netzebene 4.
Gleichzeitig stehen viele Anbieter wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand – de facto bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als den Schritt in die NE4 zu gehen.
Aber: Neben Fachkräften und Druck braucht es auch etwas Neues. Denn: Wenn wir das Gleiche tun wie in den letzten Jahren, werden wir auch in den kommenden Jahren nicht weiterkommen.
Lösungsansätze
A) Innovationen fördern und zulassen. Ob transparente Glasfaser, NE4-Verlegung über die Außenfassade oder neue Prozessansätze – technische oder organisatorische Innovationen müssen auch im NE4-Bereich möglich sein. Wir müssen das Mindset der Vergangenheit ablegen. Nur weil wir etwas vor 30 Jahren anders gemacht haben, heißt das nicht, dass es heute noch sinnvoll ist.
B) Neue Geschäftsmodelle entwickeln. Neben der Technik braucht es Geschäftsmodelle, die NE4 refinanzierbar machen und gleichzeitig Anreize schaffen, den Ausbau voranzutreiben. Hier sehe ich insbesondere dogmatische Blockaden. Diese müssen wir überwinden – egal, wem das Netz am Ende gehört oder wer wem welche Pacht zahlt.
Der Kunde muss aktiviert werden. Mit etwas Kreativität und Offenheit lassen sich hier sehr wohl Modelle entwickeln, die genau das ermöglichen. Aber es braucht beides: Offenheit und Kreativität. Ohne das eine oder das andere wird es nicht funktionieren.
Abschließender Gedanke
Kaum ein anderer Bereich bietet derzeit so viele Chancen wie NE4 & WoWi – und steht sich gleichzeitig so sehr selbst im Weg.
Also: Unterstützt die Initiativen, die es bereits gibt. Seid offen für neue Techniken, neue Prozesse und neue Geschäftsmodelle.
Denn ohne diesen Schritt werden wir den Kunden weiter vertrösten müssen – obwohl das Glasfaserkabel längst im Keller liegt.
LG Oliver
P.S. Am 15.07. startet die erste Gründergruppe von Fiber OS – eine Community für Telco-Entscheider, die keine Lust mehr haben auf PowerPoint-Workshops ohne Umsetzung.
Bereits über 20 Geschäftsführer, Führungskräfte und Experten sind dabei – um gemeinsam die Frage die TelCo und Glasfaserbranche zu diskutieren und zu lösen.
Wenn du mehr darüber erfahren willst, schau hier vorbei: fiberos Oder schreib mir direkt – ich antworte persönlich.